Das Euregionale Netzwerk Arbeitsmigranten zielt darauf ab, die Bekämpfung der Ausbeutung von Arbeitsmigranten in der EUREGIO in einem grenzüberschreitenden Rahmen zu stärken. Die EUREGIO ist der federführende Partner dieses Interreg-Projekts und koordiniert die Projektaktivitäten. Die Gemeinde Enschede, die Gemeinde Oost Gelre und der Kreis Borken sind Partner in diesem Projekt.
Seit Jahren kommen Arbeitsmigranten aus ost- und südosteuropäischen Ländern in die Niederlande und nach Deutschland, um in verschiedenen Sektoren wie der Logistik, dem Gartenbau und der Fleischindustrie zu arbeiten. Aufgrund des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt ist die Nachfrage nach mehr Arbeitskräften gestiegen, und es wird zunehmend auf Leiharbeitsfirmen zurückgegriffen, um offene Stellen zu besetzen. Die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt macht es außerdem schwierig, angemessenen Wohnraum für neue Mitarbeitende zu organisieren. Leiharbeitsfirmen haben aus dieser Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ein besonderes Geschäftsmodell entwickelt, wonach sie sich vollständig um Vermittlung, Transport und Unterbringung von Arbeitsmigranten kümmern.
Leider ist dieses System missbrauchsanfällig, da die Arbeitsmigranten während ihres Aufenthalts in hohem Maße von diesen Leiharbeitsfirmen abhängig sind. Der Transport von ihrem Heimatland in die Niederlande und nach Deutschland sowie zwischen Unterkunft und Arbeitsplatz während ihres Aufenthalts, die Unterbringung sowie die Verwaltung werden von der Leiharbeitsfirma übernommen. Diese Situation wird von einigen Leiharbeitsfirmen in hohem Maße missbraucht. Es kommt vor, dass Leiharbeitsfirmen Löhne für undurchsichtige Verwaltungskosten abziehen, Arbeitsmigranten bei krankheitsbedingten Fehlzeiten fristlos entlassen, überhöhte Mieten für Häuser mit schlechten hygienischen Bedingungen und ohne Stromanschluss verlangen oder sogar Hunderte von Euro pro Monat für eine Matratze.
Sowohl die niederländische Regierung als auch die nordrhein-westfälische Landesregierung haben inzwischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Arbeitsmigranten ergriffen. So sind die niederländischen Leiharbeitsfirmen verpflichtet, sich zertifizieren zu lassen, und sie werden regelmäßig auf ihre Gehaltsabrechnungen, Steuererklärungen und ihren Vermieterstatus hin überprüft. In Nordrhein-Westfalen dürfen Arbeitgeber in der Fleischindustrie nicht mehr auf Leiharbeitsfirmen zurückgreifen, und die Kommunen haben mehr Möglichkeiten erhalten, gegen die schlechte Unterbringung von Arbeitsmigranten vorzugehen.
Entlang der Grenze kommt es allerdings zu besonderen Situationen, in denen Arbeitsmigranten regelmäßig von niederländischen Unternehmen beschäftigt werden, während sie jenseits der Grenze in Deutschland untergebracht sind. Solche Konstellationen erschweren es den für die Kontrolle und Überwachung zuständigen Stellen, gegen Leiharbeitsfirmen vorzugehen, die sich der Ausbeutung schuldig machen. Die günstigeren Immobilienpreise in Deutschland spielen eine Rolle bei der Entscheidung mancher niederländischer Leiharbeitsfirmen, Arbeitsmigranten jenseits der Grenze unterzubringen. Gleichzeitig macht das Fehlen einer effizienten Koordinierung zwischen niederländischen und deutschen Behörden es für Leiharbeitsfirmen attraktiv, die Grenzlage auszunutzen.
Bei der grenzüberschreitenden Koordinierung von Maßnahmen und deren Durchsetzung in der Grenzregion gibt es also noch viel zu tun. Die starke Zersplitterung der Aufsichts- und Kontrollzuständigkeiten der verschiedenen Behörden erschwert allerdings das Vorgehen gegen Missstände. Die niederländischen und deutschen Ansätze unterscheiden sich voneinander, aber auch die staatliche Struktur auf beiden Seiten der Grenze ist so unterschiedlich, dass niederländische und deutsche Behörden oft kein direktes Pendant haben.
Mit diesem Projekt möchten die Partner die verschiedenen beteiligten Behörden auf beiden Seiten der Grenze zusammenbringen, darunter die Kommunen, die niederländische Arbeitsinspektion, das RIEC Oost-Nederland (Regionales Informations- und Expertisezentrum), die Kreispolizeibehörde Borken, den Kreis Borken und die Steuerfahndung, um ein besseres Verständnis des grenzüberschreitenden Systems der Arbeitsvermittlungen zu erlangen und gemeinsame Vereinbarungen zur Bekämpfung der Ausbeutung zu treffen.
Zwischen Juni 2023 und Juni 2025 werden vier Runde-Tisch-Treffen organisiert, bei denen Erkenntnisse ausgetauscht, Vereinbarungen getroffen und Maßnahmen ausgearbeitet werden. Die EUREGIO koordiniert die Runden Tische, bereitet sie vor, sorgt für die notwendige Vernetzung und sammelt und teilt Erkenntnisse aus dem Ausbeutungssystem.
So entwickeln die Beteiligten zusätzlich zu den landesweit eingeführten Maßnahmen und Instrumenten praktische Maßnahmen, die speziell auf die grenzüberschreitende Situation zugeschnitten sind.
2023 fanden sechs Wohnraumkontrollen in unterschiedlichen Kommunen im Kreis Borken statt. Der niederländische Arbeitsschutz hat an den meisten Kontrollen teilgenommen. Darüber hinaus wurden Kontakten zum niederländischen Sozialministerium geknüpft und werden Vereinbarungen mit einer niederländischen Zertifizierungsstelle für Leiharbeitsfirmen, der Stichting Normering Flexwonen, zum Informationsaustausch getroffen.
Das Projekt Euregionales Netzwerk Arbeitsmigranten ist Teil des Interreg-Programms Deutschland-Nederland und wird von der Europäischen Union, der Provinz Overijssel, der Provinz Gelderland und dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) Nordrhein-Westfalen unterstützt. Weitere Mitfinanzierer sind die Gemeinden Enschede und Oost Gelre sowie der Kreis Borken.
Deutsch-niederländische Kontrolle von Unterkünften für Arbeitsmigranten.