Von Martin Borck
„Gute Nacht, Freunde, es ist Zeit für mich zu geh’n…“ Seit 1976 ertönt allabendlich der Beginn des Liedes von Reinhard Mey im niederländischen öffentlich-rechtlichen Radio. „Met het oog op morgen“ heißt die Sendung, die eine Zusammenfassung der Tagesereignisse und einen Ausblick auf den kommenden Tag liefert.
Wie sieht es aber mit niederländischsprachigem Liedgut bei deutschen Sendern aus? Da hört man so gut wie nichts. Niederländische Musikproduktionen mit englischen Texten sind durchaus vertreten. Man denke an Hits von Golden Earring, Shocking Blue und Caro Emerald. Oder an Teach-in: Die Band gewann 1975 den damaligen Grand Prix de la Chanson Européenne, den heutigen Eurovision Song Contest. Teach-in stammte übrigens aus der Euregio: Die Band wurde 1969 in Enschede gegründet.
Niederländischsprachige Titel im deutschen Radio sind also Mangelware. Warum eigentlich? Ich fragte stichprobenartig bei einigen Sendern nach. Beim Deutschlandfunk Kultur liegt der Musikanteil am Programm bei 40 %. „Nicht-englischsprachige Popmusik gehört zu der Kategorie ‚Musik abseits des Mainstreams‘ und füllt etwa 15 % des genannten 40 % Musikanteils pro Sendestunde. Das sind rein numerisch nicht viele Titel, ein Titel pro Stunde“, so eine Sprecherin. Und: „Wenn Sie sich die Größe der europäischen Länder anschauen und proportional dazu den musikindustriellen ‚Output‘, dann liegt es in der Natur der Sache, dass die Niederlande weniger Popmusik in niederländischer Sprache produziert als etwa Frankreich oder Italien.“
Und beim WDR, dessen Sendegebiet immerhin zum größten Teil an die Niederlande grenzt? „WDR 2 spielt Musiktitel, die möglichst vielen unserer Hörer:innen bekannt sind und ihnen gefallen. Wir senden für ganz Nordrhein-Westfalen und da sind auch einige Regionen ohne Bezug zur niederländischen Sprache dabei“, so die Pressestelle. Ist das ein Argument für die Übermacht englischsprachiger Titel in deutschen Programmen? Ich finde, mehr als nur das ein oder andere niederländischsprachige Stück hätte durchaus eine Chance verdient, auch in Deutschland bekannt zu werden.
Und andersherum? Das Interesse in den Niederlanden an deutschsprachiger Popmusik ist ebenso wenig überwältigend. Moderatoren im niederländischen öffentlich-rechtlichen Radio entschuldigen sich manchmal sogar schon fast, wenn sie einen Titel von Peter Fox oder Herbert Grönemeyer spielen. Auf Reinhard Mey dagegen kann man sich offenbar einigen. Liegt es daran, dass der Berliner Barde 1975 auch eine niederländischsprachige Platte herausgegeben hat? Das Stück „Als de dag van toen“ war immerhin so populär, dass es von 1999 bis 2017 alljährlich in der von Radiohörern zusammengestellten „Top 2000“ auftauchte. „Gute Nacht, Freunde“ ist seit 1999 sogar immer vertreten.
Apropos: Auch Deutsch-Rocker Udo Lindenberg — in Gronau aufgewachsen und der Nachbarsprache durchaus mächtig — hat eine LP auf Niederländisch eingesungen: „Geen Paniek“ heißt die 1978 erschienene Langrille. Der Erfolg im Zielland war jedoch überschaubar. Dasselbe gilt andersherum für Boudewijn de Groot, der unter dem Namen Bo de Groot 1983 eine deutschsprachige Produktion herausbrachte. Mehr Erfolg hatte Herman van Veen. Im Schlagersegment sind Heintje, Jan Smit und Frans Bauer populär.
Bei den niederländischen Piratensendern sieht die Sache auch anders aus. Aber das ist eine andere Geschichte …
Die Hörerinnen und Hörer in der Grenzregion haben jedenfalls Glück: Sie können die Sender des Nachbarlands mit dem Radiogerät empfangen — und damit viele in der Nachbarsprache gesungene Lieder.