Apothekenanalyse – EUREGIO-Kolumne „Grenzglück“

Von Prof. Dr. Gert-Jan Hospers

Die meistgelesene Zeitschrift der Niederlande ist die Allerhande, ein Gratisblatt zur Kundenbindung der Supermarktkette Albert Heijn. Und in Deutschland? Man könnte meinen, dort sei es ähnlich, etwa mit den Magazinen von Edeka oder REWE, oder gar den Monatszeitschriften der Drogerieketten Rossmann oder dm. Mitnichten: Die meistgelesene Gratiszeitschrift in Deutschland ist die Apotheken Umschau. Das zweimal im Monat erscheinende Blatt liegt in etwa 80 % der rund 17.300 Apotheken in Deutschland aus. Nicht selten nehme ich auch selbst ein Exemplar mit, allein schon wegen des darin ausführlich beschriebenen Fernsehprogramms. Die Zeitschrift enthält gut lesbare Artikel (nicht nur über Gesundheit, sondern z.B. auch über Essen und Reisen), Rätsel und natürlich auch Werbung.  Das Magazin wird vor allem von Senioren gelesen, die sich oft schon Tage vorher auf das Erscheinen der neuen Ausgabe freuen. So bezeichnete ein Journalist der „Zeit“ die Apotheken Umschau 2010 scherzhaft als „Stützstrumpf der Nation“.

In Deutschland sind Apotheken im Alltag ohnehin deutlich präsenter als in den Niederlanden. Das spiegelt sich auch in Zahlen wider, wie der Bericht Een markt in beweging (Ein Markt in Bewegung) des Beratungsunternehmens SiRM (Oktober 2023) zeigt.  So kommen in Deutschland auf 100.000 Einwohner 22 Apotheken – doppelt so viele wie in den Niederlanden (11 Apotheken). Den Autoren zufolge ist dies vor allem auf die höhere Bevölkerungsdichte in den Niederlanden zurückzuführen, die es einer Apotheke ermöglicht, deutlich mehr Menschen zu versorgen als in Ländern mit geringerer Bevölkerungsdichte, wie zum Beispiel Deutschland. Gleichzeitig geben die Deutschen relativ gesehen mehr Geld für die pharmazeutische Versorgung aus: In Deutschland belaufen sich die Ausgaben für Apotheken auf 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts, in den Niederlanden hingegen nur auf 0,7 %. Als Ursachen werden angeführt, dass Niederländer zurückhaltender im Umgang mit Arzneimitteln sind und für ihre Medikamente im Durchschnitt niedrigere Preise zahlen. Auch die Kompetenzen der Apotheken in den beiden Ländern unterscheiden sich. So dürfen deutsche Apotheker unter bestimmten Bedingungen Impfungen verabreichen, wie Grippe- oder COVID-Impfungen und damit faktisch Aufgaben anderer Gesundheitsdienstleister übernehmen. Außerdem dürfen sie medizinische Produkte ausgeben, was in den Niederlanden kaum noch üblich ist. Überdies setzen niederländische Apotheker möglicherweise mehr Technologie an ihrem Arbeitsplatz ein, wie Digitalisierung oder Roboter, wodurch sie effizienter arbeiten können. Doch wie dem auch sei, die pharmazeutischen Versorgungssysteme der beiden Nachbarländer unterscheiden sich stark voneinander.

Und doch treiben niederländische und deutsche Apotheker im Jahr 2025 vergleichbare Sorgen um. Anfang dieses Jahres streikten in den Niederlanden Mitarbeitende von Apotheken für mehr Lohn und eine geringere Arbeitsbelastung. Auch im deutschen Apothekenwesen spielen diese Themen aktuell eine zentrale Rolle. Darüber hinaus sind die Deutschen über den Rückgang der Filialen besorgt, auch bekannt als Apothekensterben. Besonders in ländlichen Gebieten schließen viele Apotheken ihre Türen. Der Spruch „Bist du erkältet? Die Tante des Cousins meiner Oma hat dich gestern in der Apotheke Halsschmerztabletten kaufen sehen“ prägte jahrzehntelang das Dorfleben, doch damit könnte es bald vorbei sein. Schade, denn gerade in einer alternden Gesellschaft stellt die Apotheke eine wichtige Institution dar. Bleibt zu hoffen, dass die Apotheken Umschau in Deutschland noch lange die meistgelesene Gratiszeitschrift bleibt.

Aus dem Niederländischen von Christian Happ.

© Dietmar Rabich, Recklinghausen, Alte Apotheke — 2015 — 7393, CC BY-SA 4.0