Von Prof. Dr. Gert-Jan Hospers
Jahrelang habe ich die deutsche Stadt Vreden vor allem mit Schuhen in Verbindung gebracht. Tatsächlich befindet sich in der kleinen Stadt gleich hinter der Grenze bei Winterswijk das Schuhhaus Wessels, ein Spezialist für Menschen mit großen Füßen. Für Herren beginnt die Kollektion bei Größe 47, für Damen bei 42,5 – und alles, was darüber hinausgeht, fertigt Wessels genauso problemlos an. So hilft das Unternehmen etwa regelmäßig dem Venezolaner Jeison Rodriguez – dem Mann mit den größten Füßen der Welt – mit Schuhen der Größe 70 aus der Klemme.
Doch Vreden hat noch viel mehr zu bieten, wie ich erst kürzlich erfahren habe. Im vergangenen Jahr war ich mehrmals dort, allein und mit Familie und Freunden. Denn trotz seiner beschaulichen Größe hat Vreden in Sachen Kultur, Gastronomie und Natur viel zu bieten.
Die Hauptattraktion von Vreden liegt im Zentrum, direkt an der Berkel. Dort befindet sich seit 2017 das ‚kult‘, ein Museum, das der Kultur und den zeitgenössischen Traditionen des Westmünsterlandes gewidmet ist. Es ist keine langweilige Ausstellung, sondern eine anhand von 250 sorgfältig ausgewählten Objekten spannende Illustration des lebhaften Grenzverkehrs in unserer Region. Neben dem ‚kult‘ befindet sich im Stadtpark ein Freilichtmuseum mit elf historischen Gebäuden, die eindrücklich vermitteln, wie das Leben der Bauern in dieser Region zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert ausgesehen hat. Von April bis Oktober kann man dort unter anderem einen Brotback-Kurs in der Backstube besuchen. Vielfältig ist auch das Alte Rathaus auf dem Marktplatz von Vreden. Das Gebäude beherbergt das Scherenschnittmuseum: Europas größte Sammlung von Scherenschnittkunst in Form von 200 Werken aus aller Welt. Es handelt sich um die Privatsammlung von Hermann Gebing, einem Vredener, der zwischen 1971 und 2019 weder Kosten noch Mühen gescheut hat, Papierkunst zu sammeln. Nach der (kostenlosen) Besichtigung der Ausstellung lohnt sich ein Zwischenstopp für Kaffee und Kuchen im hauseigenen Café. Doch auch andere gastronomische Angebote im und rund um das Zentrum (z.B. Café Extrablatt) laden zum Verweilen und einer Stärkung ein.
Das Umland von Vreden ist ebenfalls einen Besuch wert. Ein Kleinod ist die Barockkirche Zwillbrock mit ihrer schönen Innenausstattung – sie gilt als die am besten erhaltene Barockkirche im Münsterland. Und ganz gleich, zu welcher Jahreszeit man auch dort ist, ein Spaziergang durch das Zwillbrocker Venn ist immer ein Erlebnis. Mit etwas Glück kann man dort während der Brutzeit sogar Lachmöwen oder Flamingos sehen. Kurzum: Nicht nur Menschen mit großen Füßen haben allen Grund, Vreden zu besuchen. Noch ein Wort zu den Schuhen: Kürzlich fand ich heraus, dass der Ort laut GUINNESS-Buch der Rekorde auch „das größte historische Miniatur-Schuhmuseum der Welt“ besitzt. Wie es dazu gekommen ist? Der Schuhmacher Richard Fenchel aus Vreden fertigte in seiner Freizeit Miniaturversionen historischer Schuhe im Maßstab 1:3 an. Sein Lebenswerk ist im Schuhhaus Wessels untergebracht, wo man neben den größten also auch die kleinsten Schuhe der Welt bewundern kann.
Aus dem Niederländischen von Christian Happ.